Bericht Nr. 34 (22.09.2013): Wir sind dann mal weg…

Lieber Familie und Freunde,

ich hatte im letzten Bericht ja schon angekuendigt, dass unsere Zeit in China zu Ende geht und wir Ende September die Zelte abbrechen werden. Mit Ausfluegen in das Zhenzhuhu Wetlend Nature Reserve, den Guanmen Mountain National Forest, nach Beijing, zum Panjin Red Beach und schliesslich noch nach Shanghai haben wir uns von China verabschiedet. Die Fotos davon gibt es natuerlich in der Mediathek zu sehen.

Die letzten Wochen in China waren noch gepraegt durch Vorbereitungen fuer die Rueckreise. Waehrend die Speditionen in China und in Deutschland die Formalitaeten vorbereiteten, mussten wir die notwendigen Dokumente bereitstellen. Mit der Landlady galt es zu vereinbaren, dass sie unsere Moebel uebernimmt. Was wir nicht mitnehmen durften (z.B. Pflanzen), verschenkten wir an Freunde und fuer die Rotweinvorraete fanden wir gemeinsam mit ihnen auch noch eine "gute Verwendung". Nachdem dann durch die Spedition 75 Kisten Seefracht und 8 Kisten Luftfracht verpackt und verladen waren, zogen wir fuer die letzten beiden Wochen ins nagelneue Grand Hyatt Hotel.

Und dann waren die drei Jahre ploetzlich ganz schnell vorbei und es galt Abschied zu nehmen, was wir dann am 18. September mit einer netten Farewell Party bei Heidi's machten. In wenigen Tagen, am 25. September werden wir nach Dubai fliegen, wo wir noch zwei schoene Tage verleben wollen, um uns soz. zu belohnen.

In den letzten drei Jahren haben wir auf diesen Seiten von unseren Erlebnissen in China berichtet. Ich durfte für BMW in Shenyang arbeiten und helfen, diesen Standort voran zu bringen. Als ich Ende Oktober 2010 nach Shenyang kam, hatten wir im Werk Dadong gerade das 50.000ste Fahrzeug des Jahres gebaut. Vom Werk Tiexi war noch nicht viel zu sehen außer ein paar Säulen im Maisfeld - und die Gebäude wurden erst über den Winter geschlossen. Nur ein Jahr später ging das neue Werk jedoch schon in Betrieb und der erste X1 aus der Serienproduktion wurde gebaut. Und nun, Ende 2013 haben wir durch Werkserweiterungen in Shenyang eine Kapazität von 60 Fahrzeugen/Std. erreicht und werden bis zum Jahresende ca. 213.000 Fahrzeuge gebaut haben! Die Anzahl unserer Mitarbeiter hat sich in der gleichen Zeit von ca. 3800 auf etwa 12.500 erhoeht und wir haben einen Umsatz, wie ein Dax 30 Unternehmen im unteren Drittel. Und wenn ich jetzt in Google Earth das Satellitenbild anschaue kann ich sagen „Ich war dabei!“



Als Leiter der Qualität Gesamtfahrzeug kam ich nach China und im Laufe der Zeit wurde ich dazu noch verantwortlich für die lokale Entwicklung, die es aufzubauen galt, sowie den Aufbau eines Prototypenwerkes und das Recycling. Es gab viel, nein sehr viel zu tun. Ich durfte fuer BMW eine Aufgabe mit extrem großem Umfang erledigen und meine Chefs in Deutschland und China schenkten mir dafuer das Vertrauen. Ich durfte erleben, wie meine Mitarbeiterzahl von etwa 150 Ende 2010 auf bis zu 470 im Fruehjahr 2013 gestiegen ist, bevor wir dann die Entwicklung in eine separate Hauptabteilung abspalteten. Es ist eine ausgesprochene Freude, für so viele Mitarbeiter verantwortlich sein zu dürfen, die mit höchster Motivation an unserer Zukunft arbeiten! 14 bis 16 Stunden taegliche Arbeitszeit waren die Normalitaet. Aber was wir hier erlebt haben, das ist „once in a life time“! Und wer nun glaubt kritisieren zu müssen, dass wir mit der Arbeit in China Arbeitsplätze in Deutschland gefährden, dem sei gesagt, dass das Gegenteil der Fall ist. China ist unser wichtigster und größter Absatzmarkt geworden und ohne unsere Produktion in China dürften wir nicht mal Fahrzeuge aus unserer heimischen Produktion nach China einführen. Mit jedem Fahrzeug, das wir in China bauen, ermöglichen wir also den Import anderer Fahrzeuge und sichern Arbeitsplätze in Deutschland!

Das hier ist nun aber unser letzter Bericht unseres Abenteuers in China und diese Homepage wird daher ab sofort auch nicht mehr weiter gepflegt! Nach drei Jahren in China, gehen wir jetzt also zurueck nach Deutschland, da ich im BMW Werk in Muenchen, also unserem Traditionswerk, die Funktion des Qualitaetsleiters übernehmen darf. Wir wollen mal versuchen, ein Fazit zu ziehen:

China und Shenyang waren völlig anders, als wir das erwartet hatten. Ich muß da jetzt nicht mehr im Detail darauf eingehen, denn ich hatte das in vielen Berichten ohnehin geschrieben. China ist zumindest im Osten nicht mehr – oder nicht mehr nur – das Agrarland mit vielen Reisbauern. Die Städte sind hochmodern und es gibt hier zig Millionenstädte, von denen wir im Westen noch nicht mal den Namen gehört haben. Selbst die größte Stadt der Welt Chongqing am Yangtse Fluss mit etwa 36 Mio. Menschen ist bei uns praktisch unbekannt, trotzdem ihre Flaeche der ganz Oesterreichs entspricht. Und diese Städte wachsen unvorstellbar schnell. In Shenyang ist es uns mehr als einmal passiert, dass wir neue Straßen und Brücken fanden, wenn wir mal drei oder vier Wochen nicht in der gleichen Gegend waren.

China ist ein Land im Umbruch. China ist uns in manchen Dingen bereits voraus. So fahren die Motorroller i.A. elektrisch und nicht mit Verbrennungsmotoren. Generell wird der Elektroantrieb für Kraftfahrzeuge durch die chin. Zentralregierung stark gefordert und gefördert. Das ist aber auch dringend notwendig, denn wuerde sich Chinas Fahrzeugdichte auch nur annaehernd so entwickeln wie in Deutschland oder USA, gaebe es dafuer weltweit nicht genuegend Kraftstoff. Und wer den Winter 2012/13 mit wochenlangem Smog ausserhalb der Messgrenzen erlebt hat, weiss wie wichtig der Umstieg auf alternative Energien ist. China ist ein Land der Gegensätze. Es gibt viele extrem reiche Chinesen, die ihren Reichtum auch sehr gerne zur Schau stellen und die ihn sicher sehr oft der Korruption verdanken. In unserer Wohnanlage waren wir mit unserem BMW 535Li in der Tiefgarage neben Rollce Royce, Ferrari, Bentley und Range Rover eher die Underdogs. Und direkt neben dem Eingangstor zu unserer Wohnanlage, sind nun Autohaeuser der Marken Rollce Royce, Bentley, Maserati und Ferrari. Es gibt aber auch leider sehr viele extrem arme Menschen. Selbst im eiskalten Winter Shenyangs müssen manche in Ihren Wohnungen ohne Heizung auskommen.

Chinesen sind fleißige Menschen, denn sie wollen sich und ihr Land voran bringen. Baustellen werden an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr betrieben. Selbst im Winter, sofern nicht betoniert werden muss. Gebäude und Straßen entstehen in unvorstellbarer Geschwindigkeit – und verschwinden auch genauso schnell wieder. Die Kartendaten im Navigationssystem sind praktisch staendig veraltet. Ganze Siedlungen und sogar Städte entstehen und stehen leer. Die Ausführungsqualität ist oft miserabel, sodass von Neubauten schon mal während des Erstbezuges die Fassade wieder abbröckelt. Und so ist es für uns völlig unverständlich, warum der Kauf von Wohnungen für Chinesen so hohe Priorität hat. Wohnungen werden gekauft und stehen über Jahre leer, weil ihre Preise auf dem Wohnungsmarkt dennoch ständig steigen. Beispielhaft sei hier mal die Stadt Ordos genannt in der inneren Mongolei. In dieser Geisterstadt wurden bereits mehrere Hunderttausend Apartments gebaut fuer eine Million Menschen. Bis auf wenige Tausend Menschen lebt dort niemand. Fuer Interessierte gibt es im Internet viele Berichte ueber Ordos und auf Youtube auch Videos. Wie lange das wohl gut geht, mit leeren Wohnungen und schlechter Ausführungsqualität Geld zu machen? Aber es ist eben die Methode, wie hier aktuell Reichtum geschaffen wird. Durch den Bau von Strassen und Hausern entstehen Arbeitsplaetze und am Bau und der Korruption verdienen viele.

Wir wurden hier immer außerordentlich gut und gastfreundlich behandelt und wir konnten uns immer völlig frei und unbehindert und sicher im Land bewegen, wenngleich ich mir sicher bin, dass die staatlichen Ueberwachungsorgane immer sehr genau wussten, wo wir waren. Sich ein Urteil über die kommunistische Zentralregierung zu erlauben, steht uns als Gaesten nicht zu. Eines möchte ich aber doch bemerken. Auch wenn der Einzelne in diesem Land wohl nicht viel zählt und ganze Dörfer neuen Bauprojekten weichen müssen. Definitiv ist es aber so, dass dieses Land durch die Zentralregierung rasend schnell voran gebracht wird, denn Widerspruch und demokratische Mehrheitsentscheidungen gibt es nicht. Der Einzelne mag uninteressant sein, das Volk und das Land insgesamt werden aber rasend schnell weiterentwickelt und in Summe geht es den Menschen durch den Aufbruch in die Moderne sehr viel besser als früher. Und ich wage auch zu bezweifeln, dass sich so ein riesiges Land und Volk demokratisch regieren ließe (der Vergleich mit Indien, der groessten Demokratie der Welt, zeigt das sehr deutlich). Jetzt versteht mich bitte nicht falsch, ich bin selbstverständlich kein Fan von Kommunismus, Zentralregierung und Unfreiheit geworden! Es steht mir aber auch nicht an, dieses Land und Volk zu kritisieren, das uns so freundlich aufgenommen hat.

Das Land entwickelt sich ausserordentlich schnell und manchmal könnte man als Langnase Angst davor haben, von China in der Zukunft überrollt zu werden. Nun, China wird definitiv in der Zukunft eine deutlich wichtigere Rolle für uns alle spielen als in der Vergangenheit. Während wir früher und auch heute noch extrem in Richtung USA ausgerichtet sind als die stärkste Wirtschaftsmacht der Erde, wird sich das künftig sehr stark in Richtung China verschieben. Durch den extrem großen Binnenmarkt und das dementsprechende Wachstumspotential ist China für unsere Wirtschaft der Markt schlecht hin. Unser Wohlstand im Westen hängt ab vom wirtschaftlichen Wohlergehen in China – die Welt ist kleiner geworden. Hier zu leben und zu arbeiten wird also für mehr und mehr Menschen in der Zukunft völlig normal sein.

Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass diese Kultur, der Buddhismus, Daoismus und die Lehren Konfuzius seit Jahrtausenden im Denken und Handeln der Menschen verwurzelt sind. Chinas Traditionen und Kultur und vor Allem die Bildung werden noch lange ein massives Hindernis für die Weiterentwicklung des Landes sein. Vor Allem die Schrift zwingt die Schulkinder über Jahre dazu, auswendig zu lernen. Auswendiglernen bestimmt das Schulwesen bis hin zum Studium und es verhindert Selbstaendigkeit und kreatives Denken. Viele dieser Beispiele habe ich in unseren Berichten geschildert. Nachdenklich macht mich die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in China. Sie werden durch Schule und Eltern für eine bessere Zukunft extrem auf Leistung getrimmt und gedrillt. Nach zehn bis zwölf Stunden Schule (und ich meine nicht Schulstunden!) folgen bis spät nachts Hausaufgaben. Und das Wochenende wird mit Privatlehrern verbracht. Die unbeschwerte Kindheit bleibt auf der Strecke und wohl auch die soziale Kompetenz.

Mit zwei Beispielen moechte ich gerne verdeutlichen, wie weit China noch vom Westen entfernt ist. Ein noch relativ neuer Kollege in China hatte kuerzlich Probleme mit seinem Visum. Er bat seine neue - zumindest mit Langnasen - unerfahrene Sekretaerin, die Visa-Angelegenheit fuer ihn zu erledigen. Nach einer Woche kam sie mit einer 0800er-Telefonnummer mit dem Hinweis, dort muesse er anrufen. Er kam dann im Servicebuero der VISA-Kreditkarte heraus. Sie war noch nie im Ausland und hatte keine Ahnung, was ein Visa (engl.) ist und wofuer es gut ist.
Besagter Kollege hat auch einen woechentlichen "Chinese-German-Talk" eingefuehrt. Im woechentlichen Wechsel duerfen er, bzw. seine chinesischen Kollegen und Mitarbeiter sich ein anderes Thema wuenschen. Bei seinem letzten Vortrag kam auch die Demokratie zur Sprache. Als er danach mit seiner Sekretaerin sprach, stellte sich heraus, dass sie das meiste verstanden hatte. Nur den Begriff "Democracy" haette sie noch nie gehoert.

Was uns nicht gefiel und woran wir uns nie gewöhnen konnten:

  • Extreme Armut und unglaublicher Reichtum nebeneinander
  • Rauchen in Restaurants
  • Die Rücksichtslosigkeit und der unvorstellbare Egoismus der Chinesen, wenn man nicht in ihrem Guanxi aufgenommen ist. Eine Chinesin hat mir erklärt, dass Chinesen, die sich nicht kennen, sich nicht als Menschen, sondern als Sachen betrachten - das erklärt alles!
  • Die absolute Sorglosigkeit, bzw. das fehlende Gespür für Gefahr 
    • auch 8 spurige Straßen werden durch Fußgänger und Radfahrer völlig ohne einen Blick auf den Verkehr überquert 
    • ganze Familien finden Platz auf ihren Elektrorollern und schlängeln sich durch dichten Verkehr - gerne auch im Gegenverkehr, nachts und unbeleuchtet. 
  • Die völlig unnötigen Verkehrsstaus, wenn wieder mal alle gleichzeitig in die gleiche Lücke fahren
  • Die extreme Rücksichtslosigkeit und das ständige Gehupe im Straßenverkehr 
  • Am Boden liegenden Verkehrsopfern nicht zu helfen
  • Die lautstarke Spuckerei 
  • Rülpsen und schmatzen beim Essen - und Graeten und Knochen einfach auf den Boden zu spucken 
  • Der Dreck und der Saustall, z.B. öffentliche Toiletten (China ist das Land der Gummisohlen)
  • Baustellenlaerm nachts um 1:00 Uhr 
  • Die Enttaeuschung der Chinesen, wenn die jaehrliche Gehaltserhoehung kleiner als 30% ausfaellt. 
  • Fehlende od. ca. 20cm eingefallene Gullideckel auf den Straßen – wenn sie 20cm ueberstehen ist es aber auch nicht besser 
  • Auf Gehwegen ständig aufpassen zu müssen, nirgends rein od. drüber zu fallen (Müll, Löcher, "Tretminen" diverser Körperöffnungen,...) 
  • Alles verrotten zu lassen und daher alles abzureißen, was einige Jahre alt ist (das Alte ist nichts wert, nur das Neue zählt) 
  • Nicht zu wissen, womit das Essen alles verseucht ist (auch wenn es definitiv schmeckt,…) 
  • Das Fehlen gemütlicher Straßenkaffees, wo man sich im Sommer auch mal einen schönen Eisbecher draußen genehmigen kann 
  • Dass die Internetgeschwindigkeit vom innen- und außenpolitischen Geschehen abhängig ist

Was wir vermissen werden: 

  • Das viele Reisen in und außerhalb Chinas. 
  • Das Leben in der internationalen Gemeinschaft 
  • Der Zusammenhalt mit den Kollegen, sowie generell den Expats aus aller Herren Länder 
  • Das tolle chinesische Essen, sowie die ausserordentlich guten japanischen und thailaendischen Restaurants 
  • Das immer frische und vielfaeltige Gemüse und Obst 
  • Die vielen froehlichen Chinesen, die in Parks zusammen singen und tanzen od. Peking Oper ueben 
  • Unsere gemütliche Wohnung 
  • Den Müll nicht trennen zu müssen, sondern einfach nur im Treppenhaus zur Abholung abzustellen (ist einfach praktisch - sorry!) 
  • Einen Chauffeur zu haben
  • Meinen langen 5er BMW, den es leider nur in China gibt 
  • Den geilsten Job der Welt 
  • Den unglaublichen Optimismus der Chinesen und ihr Willen, das Land weiter zu entwickeln 
  • Das deutlich schoenere und stabilere Wetter (und damit meine ich trotz der Kaelte auch den Winter)
  • Und vor Allem die lieben, hilfsbereiten und herzlichen Menschen (wenn man in ihrem chinesischen Guanxi (Netzwerk) aufgenommen ist)
  • ... und nicht zu vergessen: Die Eindeutigkeit chinesischer Verkehrsampeln... 

China hat uns veraendert! Das Leben in China in diesem internationalen Umfeld (ich hatte Mitarbeiter aus zehn verschiedenen Nationen (China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Tunesien, Türkei, USA, Ungarn, Suedafrika, Spanien) war für uns eine Bereicherung. Die Zeit hat uns offen gemacht für Neues und fremde Kulturen. Und sie hat uns gelehrt, die Dinge, die wir in Deutschland als selbstverständlich hinnehmen (Freiheit, sauberes Wasser, saubere Luft, elektr. Energie, Ausbildungsberufe mit Lehre und Meistertitel, Internet das immer und überall funktioniert und mindestens 20x so schnell ist,...) zu schätzen. Es hat mir aber auch die Absurdität unserer staendig negativ denkenden Neidgesellschaft und der Streiks und der Unzufriedenheit unserer Luxusgesellschaft verdeutlicht. Aus der Ferne die Tagesschau in der ARD zu verfolgen, hat definitiv keinen Spass gemacht. Beispielhaft will ich hier auf den bodenlosen Bloedsinn der Berichterstattung ueber den NSA "Abhoerskandal" verweisen, der seit Wochen die deutschen Nachrichten beherrscht. Jeder weiss doch, dass e-Mails nicht vertraulich sind, genau wie Postkarten. Und wer nichts ausgefressen hat, hat auch nichts zu verbergen!  Das ist Jammern auf extrem hohem Niveau!

Wir haben die Zeit genutzt und haben vieles gesehen und erlebt. China, Land und Leute werden für uns unvergesslich bleiben. Auch nach diesem Leben in China werden wir die Kultur und die Menschen wohl nie verstehen. Selbst wenn ich mittlerweile meist sehr genau im Voraus schon weiß, wie sie agieren und denken – verstehen werde ich es dennoch nie. Dazu hier noch abschliessend ein Beispiel zur Verdeutlichung…
Eine Chinesin sagte mir, sie wuerde heiraten. Als ich ihr gratulierte meinte sie: „Na ja, vielleicht stirbt er ja vorher noch, ich hasse ihn.“ Die Hochzeit wurde durch die Eltern arrangiert und beide passen nicht zusammen. Ein halbes Jahr spaeter hatte sich die Situation so verschaerft, dass sie mehrere Wochen auszogezogen war. Kurz darauf war sie aber wieder froehlich und teilte mir mit, sie haette nun verstanden, dass sie Verantwortung uebernehmen und die Harmonie erhalten muesse. Wiederum nur wenige Wochen spaeter war ihr Mann dann einige Wochen krank und sie meinte wieder, vielleicht stirbt er ja. Kaum danach war sie schwanger! Das verstehe mal einer.

Wir wollen keinen Tag missen und sind froh, dass wir uns damals – vor über dreieinhalb Jahren - für China entschieden haben. Wir freuen uns jetzt aber auch wieder auf zu Hause. Wir freuen uns auf Normalität und auf Freunde und Familie. Und wir sind uns bewusst, dass wir uns nach dieser langen Abwesenheit erst mal wieder zu Hause integrieren, und um Freunde und Familie bemuehen muessen. Die Reintegration ist im Allgemeinen schwieriger, als die Integration in China.

Kuenftigen Expats moechte ich sagen: Entscheidet Euch nicht aus Karrieregruenden fuer den Auslandsaufenthalt, auch wenn das fuer viele im Vordergrund stehen mag. Eure Karriere haengt von Eurer Leistung ab und vor Allem kann Euch Jahre vor Eurer Rueckkehr niemand garantieren, ob und welche Moeglichkeiten es bei der Rueckkehr geben wird. Entscheidet Euch lieber aus Freude am Abenteuer und am Neuen – diese Erfahrungen kann Euch niemand mehr nehmen. Und macht den Schritt auch nur, wenn ihn auch Euer Partner tun will, nur dann fuehlt Ihr Euch hier auch wirklich zu Hause - und zudem erlebt Ihr soviel Unglaubliches, das koennt Ihr per Telefon und Skype nicht miteinander teilen. Scheut die Entscheidung nicht, sondern freut Euch auf die neuen Herausforderungen. Und das Wichtigste: Fragt nicht die um Rat, die vor Jahren in China waren, sondern die, die aktuell dort sind. China veraendert sich zu schell!

An kuenftige (od. auch aktuelle Expats) moechte ich aber auch einige mahnende Worte richten. Ihr seid in China od. kommt nach China, weil Ihr die Experten seid. Damit ist es aber auch Eure Pflicht, nicht nur Euren eigentlichen Job zu tun, sondern Eurer Wissen an die Chinesen weiterzugeben. Hoert aber auch auf die Chinesen und ermuntert sie, ihre eigene Meinung zu aeussern. Lernt zuzuhoeren. Vergesst nicht, Ihr seid die Botschafter Deutschlands und von BMW, also benehmt Euch bitte im Job und in der Freizeit entsprechend vorbildhaft. Und vor Allem vergesst nicht, wir sind hier die Gaeste im Land und entsprechend muessen wir uns benehmen.

Vielen Dank an alle, die uns in der Ferne die Treue gehalten haben und unsere Berichte auf diesen Seiten gelesen haben. Vielen Dank an die Expat-Kollegen, die in der Fremde Ersatz für Familie und Freunde wurden. Und einen ganz herzlichen Dank an die chinesischen Kollegen und Mitarbeiter, die uns mit ihrer unvorstellbaren Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft nie als Fremde fühlen ließen. Diese Gemeinschaft haben wir genossen und werden sie nie vergessen.

Und zu guter Letzt möchte ich mich noch bei meiner Iris bedanken. Als ich damals mit der Nachricht nach Hause kam, daß ich in China arbeiten solle, meinte sie nach wenigen Sekunden „Ja, das machen wir!“. Ohne Dich hätte ich nicht hier sein wollen und können.

  

Xie xie Zhong Guo and Good Bye Shenyang
Iris und Richard

Nachtrag:
Der Abschied von den Kollegen und Freunden war wirklich bewegend. Ich habe an meine Mitarbeiter daher auch noch eine kleine Abschiedsmal geschrieben und sehr viel positives und auch sehr bewegendes Feedback erhalten. Meine eigene Mail, sowie die Antwort eines meiner Mitarbeiter, der sich aktuell in USA aufhaelt, habe ich hier noch eingefuegt...



Und hier noch ein Test fuer die, die noch in China bleiben:

Du lebst schon zu lange in China, wenn...

  • du keine Taschentücher mehr benötigst
  • du denkst, Karaoke singen macht Spass 
  • du mit ca. 50 od. 100 Gleichgesinnten im nordic Walking im Gleichschritt durch die Stadt einem Schrittmacher mit roter Fahne folgst 
  • du Nudelsuppe zum Frühstück isst 
  • dein Körper keine Milchprodukte mehr braucht
  • du auf der Strasse im Schlafanzug herum läufst 
  • du in den Zoo gehst und denkst: So leckere Tiere hier! Und fragst, was der Affe kostet 
  • du bei der Begrüssung gleich nach dem chinesischen Tierkreiszeichen fragst 
  • du absolut kein Gefühl für Verkehrsregeln hast 
  • du Freunde zum Abendessen einlädst und stinkenden Tofu als Vorspeise servierst 
  • du glaubst, McDonald’s und Pizza Hut ist etwas Besonderes 
  • du Leute fragst, wieviel sie verdienen und eine Antwort erwartest 
  • du lauter redest als notwendig 
  • du Dich im Flugzeug zu Deinem Nachbarn beugst, um dessen Videos auf dem Notebook mitschauen zu koennen 
  • oder Du selbst im Flugzeug Videos so laut abspielst, dass auch wirklich alle was davon haben 
  • du beim Einkaufen den Einkaufswagen der Langnase vor Dir ausraeumst, weil Du sehen willst, was die so kaufen 
  • du inzwischen der letzte deiner ersten ausländischen Freunde bist
  • du Dich beim Heimaturlaub wunderst, warum dort denn nicht ueberall Ueberwachungskameras installiert sind 
  • du das Essen mit Stäbchen bevorzugst 
  • du beginnst selbst grosse Fahrzeuge mit deinem Fahrrad zu schneiden 
  • du beim letzten Besuch deiner Mutter ihr als erstes deine Business Card gegeben hast 
  • du dich wunderst, warum deine Freunde daheim nicht jede Woche 10 DVD’s kaufen 
  • du dich immer vordrängelst und nicht verstehst, warum sich die anderen hinten anstellen
  • du auf einer 2 x 5 spurigen Strasse in der Stadt mit Deinem Auto gerade auf einer der Gegenfahrbahnen faehrst, damit Du an der Ampel auch wirklich der Erste bist (und neben Dir auch gerade die anderen 4 Gegenfahrbahnen ebenfalls in Deiner Richtung befahren werden) 
  • du dir eine Sonnenbrille kaufst und den Markenaufkleber auf dem Glas lässt, weil du denkst es gehört so 
  • oder du ein Brillengestell ohne Glaeser traegst und das schoen findest 
  • du versuchst die Sonne zu meiden, weil sie dir die Blässe nehmen könnte 
  • du vergessen hast, was es bedeutet irgendwo allein zu sein 
  • du es schick findest, dein Handy an einem bunten Band um den Hals zu tragen
  • du westliche Touristen um ein gemeinsames Foto bittest 
  • du auf offener Strasse plötzlich und unvermittelt stehen bleibst 
  • du in oeffentlichen Parks rueckwaerts gehst 
  • du stundenlang an der Strasse in der Hocke sitzen kannst 
  • die Fussabdrücke auf der Klobrille deine eigenen sind 
  • du es normal findest, in einen Lift zu steigen, bevor irgend ein anderer aussteigen kann 
  • du dein Handy nicht ausschaltest, egal ob das Flugzeug gerade landet oder startet 
  • du bereits beim Landeanflug od. spaetestens nach dem Aufsetzen auf der Landebahn im Flugzeug aufstehst, das Handbepaeck aus dem Fach holst und zur Tuere marschierst 
  • du das unstillbare Verlangen hast, Menschen mit kleinen Fahnen zu folgen 
  • du nicht mehr fragst, wie der Pilot den Tower verstehen kann, obwohl er kein Englisch spricht
  • du dich nicht wunderst, wenn drei Männer mit einer Leiter erscheinen, um eine Glühbirne auszuwechseln
  • du Dein gutes Glas Rotwein mit Eis, Coca Cola und Zucker verfeinerst
  • du nach dem Essen erst mal herzhaft pfurzt und ruelpst, da es so ungemein erleichtert.

Wenn du die meisten dieser Fragen mit „ja“ beantwortet hast, dann wird es Zeit zu gehen – oder Dich einbuergern zu lassen!