Bericht Nr. 033 (03.08.2013): Es geht dem Ende zu

Nach ueber zwei Monaten ist Iris seit dem 25. Juni auch wieder in Shenyang. Ich freue mich sehr, denn das Alleinsein hatte endlich ein Ende. Aufgrund der schweren Erkrankung meines Vaters musste sie zu Hause sehr viel organisieren und war dort daher gut beschaeftigt. Auch war es daher notwendig, dass wir fuer unsere Amy (unser Border Collie) ein anderes "zuhause" finden, denn meine Eltern koennen sich nun leider nicht mehr um sie kuemmern. Bis Kathrin nach ihrem Praktikum Mitte Juli wieder nach Hause kam, kuemmerten sich daher mein Schwager und meine Schwaegerin um sie. Vielen Dank fuer Eure Hilfe!.

Wie wir wissen, lieben es Chinesen, sich im Sommer abends in Parks od. oeffentlichen Plaetzen (manchmal auch nur Verkehrsinseln) zu treffen und sich zu unterhalten. Sie reden, singen, tanzen, musizieren, ueben Peking Oper od. spielen Majong. Und ich dachte, ich kenne eigentlich schon alle Eigentuemlichkeiten der Chinesen. Das Gemeinschaftsgefuehl geht aber sogar soweit, dass sie im Gleichschritt in einer Gruppe von ca. 50 Personen beim Nordic Walking einem (die rote Fahne tragenden) Schrittmacher durch die Stadt folgen. Und ich dachte immer, das waere ein Sport fuer die Natur und in Grueppchen von zwei oder drei Personen.

 

Was mir immer wieder auffaellt ist, dass die Frauen und Maedels hier (wenn sie nicht zufaellig gerade extrem schuechtern sind) deutlich taffer sind als die Jungs. Es mag ja vielleicht auch daran liegen, dass Maedchen sich i.A. mit Fremdsprachen leichter tun als Jungs - und wir sind nun mal in einer englischsprachigen Firma. Aber das alleine kann es nicht sein. Ich glaube eher, dass die Jungs in der Einkindfamilie eben verhaetschelt werden und die Maedchen sich behaupten muessen. Es ist auf jeden Fall schon beeindruckend, wie Frauen sich hier im Berufsleben behaupten. In einer beruflichen Umgebung unter Ingenieuren, die man bei uns i.A. als Maennerdomaene betrachtet. Das fuehrt aber auch dazu, dass viele dieser hochintelligenten und gebildeten jungen Frauen ohne Mann bleiben. Meiner Chinesischlehrerin geht es da genauso. Ein bildhuebsches Maedel, gebildet und klug, aber allein. Sie meint, die Chinesen wollen keine Frauen, die ihnen ueberlegen sind. Da die Chinesen ihre Freizeit auch eher mit Kochen verbringen, als sich in der Welt umzusehen, bleiben viele eben allein und ohne Partner, sofern sie ihren Schatz nicht in der Firma kennenlernen. Aber Chinesen wissen sich zu helfen. Und so findet sich etwa 1/3 der Paare heute bei "Blind Dates", die professionell organisiert werden oder auch durch Freunde oder Eltern arrangiert werden. Geheiratet wird dann recht schnell und dann muss natuerlich auch bald das Einzelkind her, denn das erwarten schliesslich die Grosseltern. Sind diese Paare dann gluecklich? Na ja, uebereinstimmend haben mir Chinesinnen mehrfach gesagt, dass sie ein "wo ai ni" (ich liebe Dich) i.A. nur einmal im Leben hoeren, naemlich wenn ihr kuenftiger Mann ihnen den Heiratsantrag macht. Aber ist das ein Problem? Zumindest meine Chinesischlehrerin sagte, sowas sei nur fuer Langnasen ein Problem. Wir haetten viel zu viel Auswahl und Moeglichkeiten bei der Partnerwahl. In China sei das durch die arrangierten Blind Dates einfach geloest und man findet sich eben damit ab. Wer keine Wahl hat, ist mir ihr auch nicht unzufrieden. Wieder was gelernt!

Wie geht es aber nun weiter mit dem jungen Glueck? Ganz einfach, die Eltern des jungen Paares kaufen die Wohnung - moeglichst nah an der eigenen Wohnung. Und wenn dann das erwartete Einzelkind endlich in der Familie angekommen ist, dann wird es an die Grosseltern abgegeben. Nein, keineswegs nur tagsueber, wenn die Eltern arbeitern, sondern es lebt quasi bei den Grosseltern. Nach der Arbeit geht das junge Paar dann zu den Eltern, um das Kind zu besuchen und zu essen. Insofern bezahlt das junge Paar also weder was fuer die Wohnung, noch fuer das eigene Essen und das des Kindes. Das erklaert nun auch, warum sich junge Paare i.A. doch etwas leisten kann. Noch was gelernt!

Der Sommer in Shenyang ist heiss wie immer. Wenn man da keine Klimaanlage hat, dann muss man sich eben was einfallen lassen. So kuehlen sie die Schueler in dieser Schule in Jinan (Shangdong Provinz) mit Hilfe eines Eisblocks in ihrem Klassenzimmer...

Vor vielen Jahren war ich begeisterter Zuschauer der Fernsehserie Dallas, in der der Oelmagnat J. R. Ewing viele faule Tricks zu seinem wirtschaftlichen Vorteil anwendete. Ich dachte immer, das gibts nur im Fernsehen. Weit gefehlt, das erleben wir hier live. Das Sheraton Hotel, in dem wir im ersten Jahr gewohnt hatten, ist mittlerweile ein SOFITEL Hotel. Der Hochhausturm direkt daneben gehoert einem anderen Eigentuemer. Der moechte diesen Turm aber unbedingt an den Eigentuemer des SOFITEL verkaufen, der aber nicht interessiert ist. Beide Gebaeude sind durch einen flacheren Bau miteinander verbunden, in dem sich v.a. die Eingangshalle und das grosse Buffetrestaurant des SOFITEL befinden. Der freundliche Nachbar terrorisiert nun das SOFITEL dadurch, dass er auf dem Dach dieses Zwischengebaeudes v.a. nachts mit dem Presslufthammer irgendwelche Betonringe abreisst. Das Restaurant ist daher seit Wochen geschlossen, da der Laerm den Gaesten nicht zumutbar ist, sodass die Gaeste nun in Besprechungsraeumen des Hotels ihr Fruehstueck einnehmen muessen. J. R. Ewing auf Chinesisch! 

  

Ich dachte ja, ich kenne mittlerweile alle Eigentuemlichkeiten dieses Landes, aber ich werde doch immer wieder ueberrascht. Und so ist die nachfolgende Geschichte zwar kein Wirtschaftskrimi, aber doch nah dran. Ein Kollege wurde kuerzlich nach einer Dienstreise damit ueberrascht, dass sein Balkon nicht mehr nutzbar war. Auf dem Balkon stand ein Baugeruest und eine Betonmischmaschine. Der Mieter der Wohnung darueber baut sich naemlich noch ein Stockwerk zusaetzlich ueber seine Wohnung und wollte sich den Baukran sparen und nutzt nun eben fuer die Bauarbeiten den Balkon darunter. Da in China darueber hinaus rund um die Uhr auf Baustellen gearbeitet wird, ist der Laerm untragbar, sodass mein Kollege nun ausgezogen ist.

Mitte Juli war uebrigens Kathrins Praktikum in Beijing vorueber und ich denke, das halbe Jahr hat sie fuer ihre persoenliche und berufliche Zukunft auf jeden Fall bereichert. Wenn ich mir vorstelle, ich haette mit 22 ein halbes Jahr ins Ausland gehen sollen (von wollen waere gar nicht die Rede gewesen), dann prost Mahlzeit - ich haette mich das wohl kaum getraut. Ich habe grossen Respekt vor ihr und bin sehr stolz auf sie! Kurz vor ihrem Abflug war sie dann auch nochmal in Shenyang, da wir bei BMW Brilliance Automotive Ltd. das 10-jaehrige Jubilaeum feierten und sie an der Organisation beteiligt war.

Kathrin schaut uns uebrigens aktuell in Shenyang von riesigen Plakaten und Grossbildschirmen entgegen. Das Plakat macht auf das 10-jaehrige Jubilaeum des Joint-Ventures aufmerksam...

  

  

Eigentlich hatten wir ja geplant, dass sie nach Ende ihres Praktikums noch eine Woche bei uns in Shenyang verbringt. Ihr Visum lief aber exakt am Praktikumsende aus und wurde nicht mehr verlaengert. Es war nicht mal moeglich, erst den Nachtflug von Beijing nach Muenchen zu nehmen, denn dann waere das Visum ja bereits um 75 Minuten abgelaufen gewesen, bevor das Flugzeug abebt. Chinesische Buerokratie...

Aber auch ich flog im Juli dann gleich noch zweimal auf Dienstreise nach Deutschland. Der erste Trip war mit nur vier Tagen in Deutschland sehr kurz. Beim zweiten Trip Ende Juli war ich immerhin eine Woche dort und Iris hat mich begleitet (Iris war eigentlich in diesem Jahr fast mehr ausserhalb als innerhalb Chinas. Gleich nach unserer Rueckkehr nach Shenyang, bekamen wir noch Karten fuer eine Ballettauffuehrung im Liaoning Grand Theater. Die Tänzerin Yang Liping wurde 1958 in der südwestchinesischen Provinz Yunnan geboren und gilt in China als die "Göttin des Tanzes" und wird auch "Pfauen-Prinzessin" genannt. Sie ist berühmt für ihren Pfauentanz und porträtiert auf der Bühne seit 1971 einen stolzen Pfau.

     

Und nun kann ich es ja auch offiziell sagen, was ich schon seit laengerem weiss. Unsere Tage in China sind gezaehlt und somit ist das nun auch der letzte unserer Erlebnisberichte. Daraus erklaert sich auch der Titel des heutigen Berichtes. Ende September werden wir unsere Zelte abbrechen und wieder nach Deutschland zurueckkehren. Anfang Oktober werde ich dann als Qualitaetsleiter im BMW Werk in Muenchen durchstarten.

Selbstverstaendlich wird es kurz vor der Rueckreise dann aber noch einen ausfuehrlichen Abschlussbericht geben, in dem ich Fazit ueber unsere Zeit in China ziehen werde.

Kuerzlich wurde ich uebrigens fuer die Firmenzeitschrift der Fa. ESG interviewt ...